Gewandung selber nähen – und dabei Geld sparen?
Im letzten Blogpost ging es ja bereits darum, wie ihr günstig an eure neue Mittelalter Gewandung kommt. Dem einen oder anderen aufmerksamen Leser mag dabei aufgefallen sein, dass „Selber nähen“ es nicht in die Liste der Tipps geschafft hat. Warum eigentlich nicht? So ein bisschen Stoff ist ja wesentlich günstiger, als das Kleid von der Stange. Also theoretisch schon günstig – aber praktisch?
Deswegen habe ich mich entschlossen, dem Thema mal einen etwas längeren Text zu widmen. Gerade als Einsteiger bekommt man oft die Möglichkeit des Selbermachens aufgezeigt. Doch was da für ein Rattenschwanz an Arbeit mit dran hängt und ob es sich überhaupt lohnt, wird oft verschwiegen. Also hier meine ehrliche, auf sehr vielen Erfahrungen beruhende Meinung zum Thema „Gewandung selber nähen“.
Anmerkung: Der Text richtet sich größtenteils an Näh-Neulinge, die kaum oder gar keine Erfahrungen mit Nähmaschine und Co. haben. Wenn ihr also schon Profis im Nähen seid, treffen die meisten Punkte wahrscheinlich nicht auf euch zu.
Eine kleine Geschichte…
Fangen wir doch einfach mal damit an, wie ich zum selber nähen gekommen bin. Es muss so Mitte 2014 gewesen sein, da wollte ich wieder aktiv ins Mittelalter-Hobby einsteigen. Klamotte hatte ich zwar noch, aber irgendwie war das nicht so das Wahre. Kleid wollte ich auch nicht mehr tragen, also musste eine neue Gewandung her. Es gibt nur leider ein großes Problem, was fast alle Azubis mit sich rumschleppen: chronischer Geldmangel. Also mehr als 50€ war nicht wirklich drin und da geht’s bei den meisten Ausstattern preislich erst los.
Aaaber mein Papa hat mir irgendwann mal eine Nähmaschine gekauft. Ich weiß nicht genau, warum er das getan hat. Wahrscheinlich, weil alle Mädchen eine Nähmaschine brauchen (?) und das zur Aussteuer gehört? Ich weiß es nicht, auf jeden Fall hatte ich eine, auch wenn ich sie noch nie zuvor genutzt hatte.
Und dann kam auch schon der erste Stoffkauf. 3 Meter Leinen oder sowas. Und drei Tage später war das erste Teil fertig. Ich nenne es liebevoll „Sack mit Ärmeln“, denn als Oberteil war es so nicht tragbar.
Die zweite Tunika sah dann schon halbwegs tragbar aus. Und das erste Kleid, was ich danach genäht habe, wäre tatsächlich sogar fast getragen worden. Aber auch nur fast. So gut gefiel mir es dann doch nicht. (Mal schauen, vielleicht mach ich mal Fotos zur allgemeinen Belustigung)
„Haben“ ist nicht gleich „Können“
Was lernen wir aus Möhrchens kleiner Geschichte? Nur, weil ihr eine Nähmaschine besitzt, könnt ihr nicht automatisch nähen. Konnte ich auch nicht. Kann ich vermutlich jetzt noch immer nicht perfekt. Nähen ist wie jedes Handwerk. Man muss üben, üben, üben. Und irgendwann hat man halbwegs schöne Ergebnisse. Bis dahin vergeht einige Zeit. Ich habe das „Glück“ gehabt, dass ich zu dem Zeitpunkt lange krankgeschrieben war. So konnte ich mich wirklich jeden Tag hinsetzen, YouTube-Videos gucken und Bücher lesen (und vor allem nähen), sodass es relativ fix ging.
Das ist in meinen Augen der wichtigste Punkt der Frage, ob „Gewandung selber nähen“ wirklich in Betracht gezogen werden sollte. Habe ich Zeit (und vor allem Lust) mich näher mit dem Nähen zu beschäftigen? Möchte ich das Lernen? Oder mache ich das nur, um Geld zu sparen? Falls eure Antworten jetzt eher „Nein, Nein, Ja!“ lauten würden – Lasst es! Ihr erspart euch eine Menge Ärger.
Und mit Ärger meine ich: Nähte auftrennen, gebrochene Nadeln zusammensammeln, falsch zugeschnittene Stoffteile weinend in den Müll stopfen… so Anfängerfehler halt. Aber glaubt mir… es wird besser, junger Padawan. Irgendwann macht das Ganze sogar Spaß!
Die Einstiegskosten
So, da wir nun das Problem mit dem Haben und dem Können erläutert haben… Kommen wir doch mal zu den eigentlichen Einstiegskosten. Sprich, was ihr benötigt und was das kostet. Denn wenn man sich schon dazu entschließt, das Nähen zu lernen, benötigt man auch eine kleine aber feine Grundausstattung.
Natürlich kommt es in erster Linie darauf an, ob man mit der Hand oder der Maschine nähen möchte. Ersteres ist günstiger, dauert aber deutlich länger. Ist dafür aber auch authentischer. Bei der zweiten Variante kommen natürlich die Kosten für die Nähmaschine drauf. Also wäre es auch hier ganz schön teuer für nur eine Gewandung. Hier also eine grobe Rechnung:
Variante 1: mit der Hand nähen
Packung Nähnadeln | 2€ |
Garn zum Nähen | 3€ – 10€ (je nach Anspruch und Material) |
Schneiderschere | 10€ – 15€ |
Schneiderkreide | 2,50€ |
Papier für das Schnittmuster | 0€ (altes Zeitungspapier) – 5€ (Schnittmusterpapier) |
Stecknadeln | 4€ |
Gesamtkosten: 21,50€ – 38,50€ (ca. Wert)
Von dem Geld könnt ihr schon fast eine billige Tunika kaufen… bei der Nähmaschinenvariante ist es noch extremer:
Variante 2: Nähmaschine
Nähmaschine | 90€ – 150€ |
Nähmaschinengarn | 2€ |
Nadeln | 3,50€ |
Schneiderschere | 10€ – 15€ |
Schneiderkreide | 2,50€ |
Papier für das Schnittmuster | 0€ – 5€ |
Stecknadeln | 4€ |
Hier sind wir gleich mal bei Einstiegskosten von 112€ – 182€, vorrausgesetzt, ihr habt nix davon im Haus. Puh… das ist eine Menge Geld. Also gilt auch hier wieder: Wer es nicht macht, weil es ihm Spaß bringt, sollte es lassen.
Die Materialien
Gut, wir gehen jetzt davon aus, dass ihr total motiviert seid, und demnächst eure eigene Gewandung selber nähen wollt… Ihr habt eure Grundausstattung – Weiter geht’s mit den eigentlichen Materialien. Her mit dem Stoff… sozusagen.
Macht jetzt bitte nicht den Fehler und kauft den billigsten Baumwollstoff, den ihr finden könnt. Also gut, für die ersten drei Übungsteile vielleicht schon, aber für die „richtige“ Klamotte nicht. Bitte nicht. Ihr müsst es so sehen: Ihr investiert Zeit und Geld, Geduld, Nerven, Blut, Schweiß und Tränen in die Sachen. Da habt ihr bessere Qualität verdient, als ihr von der Stange bekommt. Leinen und Wolle sind das Stichwort (warum ihr auf Natur setzen solltet, könnt ihr bei den „7 Tipps für die erste Gewandung“ nachlesen). Wir liegen da preislich bei +- 10€ für 1lfm (1m x 1,50m) Leinen und ca. (!) 20€ für 1lfm Wollstoff. Nach oben ist alles offen, manchmal findet man auch das eine oder andere Schnäppchen und kommt günstiger weg.
Bei ca. 3m Stoffverbrauch für ein Kleid sind wir also bei grob 30€. Yeah, wir sind an dem Punkt angekommen, an dem sich die ganze Mühe lohnt! Ok, man bekommt einfache Baumwoll-Kleider schon ab ca. 40€ aaaaber die sind aus Baumwolle. Ihr habt sozusagen die Luxusvariante aus Leinen. Cool, oder?
Klar, es ist nicht so bequem wie auf zwei Knöpfe zu drücken und seine PayPal-Daten einzugeben. Was man nicht mit Geld kauft, kauft man mit Zeit. Ist immer so. Aber es ist ja auch ein schönes Gefühl, seine selbstgemachte Kleidung zu tragen und einfach mal Stolz auf seine Arbeit zu sein. Und das ist mehr wert, als das gesparte Geld.
Fazit:
Ja, es ist günstiger, seine Gewandung selber zu nähen. Vorrausgesetzt:
- Ihr habt die Ausrüstung
- Ihr könnt (halbwegs) nähen
- Ihr habt Spaß an der Sache
Ich persönlich sehe das Nähen immer als „Hobby im Hobby“. Man muss gewillt sein, es zu lernen, mit allen Misserfolgen und Unzufriedenheiten, die es mit sich bringt. Aber es macht unglaublich Spaß! Und das ist für mich das, was zählt. Das gesparte Geld ist ein netter Nebeneffekt, erfahrungsgemäß fließt selbiges aber in neue, coolere Näh-Gadgets 😀 Ein Teufelskreis. Also irgendwie schon günstiger – aber irgendwie doch nicht. Auf jeden Fall individueller, kreativer und herausfordernder, als „Gewandung auf Knopfdruck“.
Wie seht ihr das? Näht ihr eure Gewandung selbst? Und wenn ja, aus welchem Grund? Warum habt ihr damit angefangen? Und ist es für euch auch ein „Hobby im Hobby“? Ich bin gespannt, auf eure Meinungen zu dem Thema.
Bis dahin, viel Spaß bei den evtl. ersten Nähversuchen!
Möhrchen
10 Gedanken zu „Ist selber nähen wirklich günstiger?“