Planung ist die halbe Gewandung
Wie ihr vermutlich wisst, stecke ich momentan voll in den Vorbereitungen für die nächste Saison. Mehr oder weniger erfolgreich, aber immerhin. Da spielt natürlich die Gewandung eine sehr große Rolle. Dank eurer lieben Kommentare und Nachrichten (vielen vielen Dank dafür, ich freu mich bei jedem Kommentar wie ein kleines Kind 😀 ) weiß ich natürlich auch, dass unter euch einige Neueinsteiger sind, die vielleicht gar nicht so richtig wissen, wonach sie ihre zukünftige Klamotte aufbauen wollen. Also dachte ich mir, ich erzähle euch heute mal ein wenig, wie ich meine Darstellungsplanung betreibe. Vielleicht findet der ein oder andere ein paar Tipps, die er in seine eigene Planung übernehmen möchte.
Brauche ich überhaupt ein Darstellungskonzept?
Zwingend notwendig ist das natürlich nicht. Wenn ihr eure Gewandung bisher auch so ganz gut zusammenbekommen habt, könnt ihr das auch weiterhin ohne machen. Für mich persönlich hat es viele Vorteile:
- Man spart Geld, weil man genau weiß, was benötigt wird und kauft dadurch nicht wahllos irgendwas zusammen.
- Kein langes Überlegen, ob ein Teil wirklich in die Gewandung passt oder nicht (spart Zeit)
- Man hat eine genaue Übersicht, was noch fehlt (spart Nerven)
Außerdem macht es mir total Spaß, neue Gewandungen auszudenken, im Internet nach Inspirationen zu wühlen und das alles irgendwie zusammenzubringen 😀 Total toll! Und man braucht eigentlich nur ein Blatt Papier und einen Stift. Und dann kann es auch schon losgehen 🙂
(Ergänzung: Wer’s nicht handschriftlich machen will, kann sich natürlich auch am Computer eine Datei dafür anlegen.)
Falls ihr vorher noch wissen wollt, worauf man im Allgemeinen bei einer lagertauglichen Gewandung achten sollte, könnt ihr ja mal in meine 7 Tipps für das Lageroutfit reinschauen.
Und dann können wir auch schon loslegen mit der Rumplanerei 😀
Schritt 1: Was will ich darstellen?
Bevor man irgendetwas planen kann, sollte man schon wissen, was man überhaupt darstellen möchte. Und das ist meist leichter gesagt als getan. Schließlich ist die Mittelalterszene riesig und vielfältig, also habe ich euch hier mal meine „Grundfragen“ gesammelt.
Authentisch-historisch oder Fantasy?
Wie ihr wahrscheinlich gemerkt habt, ist die Frage nach A oder Un-A überlebenswichtig in der Szene. Deshalb ist das auch das Erste, was ihr euch fragen solltet. Möchtet ihr nach historischen Funden rekonstruieren? Oder möchtet ihr die Gewandung nach eigenen Vorstellungen aufbauen? Danach wird sich später nämlich eure Arbeits- und Beschaffungsweise richten. Im Fantasy- und Nicht-so-ganz-A-Bereich seid ihr wesentlich freier in der Gestaltung. Schnittmuster können modernisiert und angepasst werden, auch bei den Materialien habt ihr freie Auswahl.
Falls ihr aber in den Living-History-Bereich einsteigen wollt, kommt eine Menge Recherchearbeit auf euch zu. Je nach angestrebten Authentizitätsgrad (ich hasse dieses Wort 😀 das muss man immer dreimal schauen, ob’s richtig geschrieben ist) sollten hier die Materialien, die Verarbeitung und natürlich die Schnitte in die gewählte Zeit passen. Das rauszubekommen, ist nicht immer einfach. Das sollte euch jetzt aber nicht davon abhalten, Reenactment kann nämlich auch eine Menge Spaß machen!
Welche Zeit? Welcher Charakter? Welche Region?
Gut, wir haben uns schon mal entschieden, ob wir A oder Nicht-A sein wollen, das Gröbste ist (fast) geschafft. Nun präzisieren wir unsere Vorstellungen ein wenig. Wir überlegen uns jetzt also, wen wir darstellen wollen. Ich bastel mir dafür in Gedanken gerne eine kleine fiktive Figur zusammen, denke mir sozusagen eine „Rolle“ aus. Das ist im Larp gang und gäbe und in meinen Augen auch für eine gute Gewandung wichtig. Bedeutet im Klartext:
Reenactment: Wann hat derjenige gelebt? Wo (Region, am besten noch Stadt)? Was war er von Beruf? Wohlhabend oder eher arm?
Fantasy: Aus welcher (fiktiven) Welt stammt derjenige? (Herr der Ringe, Game of Thrones, Vikings, diverse Computerspiele wie die „Witcher“-Reihe etc.) Welcher Beruf? Oder wenn kein Beruf, was macht derjenige den ganzen Tag? Wohlhabend? Arm? Irgendwas dazwischen?
Schnappt euch also einen Zettel und Stift und schreibt alles auf, was ihr euch zu diesem Charakter ausgedacht habt. Wie einen kleinen Steckbrief. (Die Pen&Paper-Spieler unter euch sollten das ja kennen :D) Warum machen wir den ganzen Blödsinn? Je genauer die Vorstellung, desto besser könnt ihr eure Gewandung aufbauen. Falls ihr Spaß daran habt, könnt ihr eurer Figur ja auch noch eine kleine Biografie schreiben. Aber nur, wenn euch das wirklich Freude macht.
Apropos Freude: Es gibt gefühlte 1000-Ratschläge, wie man die für sich beste Darstellung findet. Das geht von „Nimm was, was Bezug zu deiner Stadt hat“ bis zu „Fang erstmal mit was Leichtem an, Wikinger zum Beispiel“. In meinen Augen alles Blödsinn. Es gibt einen Grundsatz in dem Hobby: Es muss Spaß machen! Also nehmt am besten das, wofür ihr euch am meisten interessiert und, vor allem, worin ihr euch wohlfühlen könntet. Wenn ihr als Mann keine Strumpfhosen tragen wollt, ist Robin Hood evtl. das falsche Vorbild. Frau mit Hose im Reenactment geht (so gut wie) gar nicht. Kettenhemd-Bikini sollte man nur tragen, wenn man sich wirklich darin wohlfühlt. Und so weiter…
Zum Thema „Wohlfühlen“ sei noch gesagt: Es gibt Epochen und Fantasyrichtungen, die für einige Kleidungsvorlieben besser geeignet sind, als für andere. Also geht auch kurz in euch und überlegt, worin ihr euch wohlfühlt. Soll es eher weit geschnitten sein? Oder körperbetont? Passt der Stil zu meiner Figur? Aber geht dabei nicht nach Anderen. IHR steht im Vordergrund. Klar kann man auch mit ein paar (vermeintlich) zu vielen Kilos bauchfrei durch die Gegend rennen. Schon mal eine passionierte Bauchtänzerin gesehen? Die sind auch nicht alle spindeldürr und sehen toll aus. Warum? Weil sie sich wohlfühlen! Einfach auf die innere Stimme hören, die sagt schon, was passt und was nicht 🙂
Ok, ihr habt ganz viele Ideen und Stichpunkte auf euer Blatt gescribbelt? Sehr gut, kommen wir zum spaßigen Teil.
Schritt 2: Inspirationen sammeln/ Recherchieren
So, ihr habt bereits das Grundgerüst eurer Darstellung, jetzt lasst euch erstmal inspirieren. Natürlich wisst ihr wahrscheinlich schon ungefähr, wie alles aussehen soll. Aber glaubt mir, je länger ihr stöbert, desto mehr Dinge findet ihr, die euch noch besser gefallen. Für die Living Histos geht jetzt auch das Recherchieren los. Also schnappt euch Bücher, guckt euch Gemälde aus der Zeit an und tauscht euch ggf. mit anderen Reens aus.
Ich persönlich finde es immer gut, wenn man im Fantasy-Bereich ebenfalls ein wenig nach dem historischen Hintergrund forscht. Ihr werdet staunen, wie viele Klamotten aus Film, Fernsehen und Gaming auf historischen Kostümen basieren. Außerdem hilft euch ein gewisses Hintergrundwissen bei evtl. anstehenden Verzierungen, Handarbeitstechniken und anderem. Und Wissen ist immer gut! Je mehr ihr euch damit beschäftigt, desto besser wird die Gewandung.
Es gibt ja auch soo viele Inspirationsquellen. Am liebsten nutze ich dafür Pinterest. Da kann man alles gleich auf einer Pinnwand abspeichern, sodass man es wiederfindet.
Vorteil ist hierbei auch, dass man eigene Inhalte aus dem Netz dort pinnen kann. Ordner erstellen und alles an Input rein damit! Super praktisch.
Selbstverständlich könnt ihr Bilder auch auf eurem Rechner speichern oder euch gleich Ordner mit Ausgedrucktem anlegen. Gerade bei historischen Themen lohnt sich so ein Ordner (für Quelltexte etc.). Das Ganze macht ihr solange, bis ihr der Meinung seid, genug Material und Ideen für eure eigene Gewandung zu haben.
Schritt 3: Farbkonzept überlegen
Ich für meinen Teil überlege mir danach, welche Farben die jeweiligen Kleidungsstücke nun haben sollen. Ich suche mir also meist zwei, manchmal drei Farben aus, die sich gut kombinieren lassen und male sie mit auf mein Darstellungskonzept-Blatt (das, worauf ihr schon die Stichpunkte geschrieben habt). Momentan ist das bei mir blau-braun mit leichten Rotanteilen. Wieso machen wir das? Damit der neue Berg Klamotten nachher auch zusammenpasst. Es ist zwar toll, ein krapprotes Kleid im Schrank zu haben, wenn sich das aber mit der gelben Haube, den braunen Armstulpen und dem grünen Umhang beißt, sieht man nachher aus wie Hoffnarr im Dienst. Und wer will das schon… Außer die, die einen Hoffnarren darstellen wollen.
Schritt 4: Skizzieren
Nun ist Zeit, eurer Gewandung auf Papier zu bringen. Wer jetzt schon faustdicke Schweißperlen auf der Stirn hat, keine Sorge – ich kann auch nicht malen. Es muss auch nicht hübsch aussehen. Das Skizzieren soll einfach dazu dienen, eure Idee der Kleidung festzuhalten. Es ist einfacher, die fertige Klamotte auf Papier zu sehen, als sie sich aus tausend Bildern im Kopf zusammenzubauen. Und damit ihr wirklich keine Angst davor haben braucht, hier meine derzeitige Skizze:
Trommelwirbel…. Ihr dürft jetzt lachen 😀
Ich persönlich mag ja die Gummi-Arme und den fehlenden Fuß. Naja, aber wie ihr seht, muss es kein Kunstwerk sein, hauptsache die wichtigen Teile sind angedeutet und ihr habt eine Gedankenstütze.
Gut, ihr wisst nun also, dass Möhrchen nicht zeichnen kann, weiter im Text.
Schritt 5: Liste erstellen
Der letzte Punkt meines Darstellungskonzeptes sind die Listen. Ich handhabe das so, dass ich zum einen notiere, was ich bereits besitze (gleich die Inventur gespart 😀 ) und was ich noch benötige. Das sortiere ich allerdings nochmal nach Sommer und Winter, sodass ich auch gleich weiß, was ich wann einpacken muss (und schon wieder Zeit gespart!). Und hier am besten alles notieren: Vom Mantel, über die Mütze, Stulpen, Socken, Ketten und anderes Gebamsel… ALLES. Denn, und jetzt sparen wir schon wieder Zeit, die „Brauch-ich-Liste“ ist dann euer Einkaufszettel und Bastel-To-Do. Also am besten lasst ihr zwischen den einzelnen Teilen ein wenig Platz, sodass ihr abhaken könnt.
Ich weiß, sieht aus wie die Weihnachtswunschliste eines Viertklässlers, aber hey 😀 Ich habe zumindest einen Überblick! Und jetzt werden die Beschaffungsmaßnahmen eingeleitet.
Optional (so als Idee) könntet ihr zum Beispiel noch eine Kostenliste erstellen. Hat den Vorteil, dass ihr ungefähr wisst, was an Geld benötigt wird und vor allem Preise vergleichen könnt. Ich habe das bei meiner zweiten Darstellungsplanung gemacht, allerdings bin ich so schlecht im Geld-einplanen, dass es sowieso mehr geworden ist, als berechnet. Wenn ihr darin besser seid, empfehle ich euch das unbedingt!
Ganz schön viel Arbeit, für so ein paar Klamotten, nicht war? Aber glaubt mir, es ist wesentlich einfacher, wenn man alles klar auf einem Blatt Papier stehen hat. Und das Beste kommt ja eh zum Schluss, jetzt könnt ihr euch ohne Stress und großes Nachdenken ans Shoppen und Basteln machen. Das ist, mir persönlich, immer die Mühe wert!
Wie sieht es bei euch aus, plant ihr eure Gewandung? Oder kauft und bastelt ihr einfach drauf los? Was muss bei euch unbedingt in die Darstellungsplanung? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen!
Bis dahin wünsche ich euch erstmal ein fröhliches Suchen, Scribbeln und Ausdenken 🙂
Habt eine tolle Woche!
Möhrchen
19 Gedanken zu „Die perfekte Gewandung dank Darstellungsplanung“