Gewandung verzieren II – Maschinennähte kaschieren

Ihhh… Nähmaschine

Überlegen wir mal kurz: Welche Dinge fallen euch (neben drittklassigem Polyestersamt) ein, die einem Gewandungsstück mal so richtig das ambientige Aussehen zerstören können? Nein, die Springerstiefel meine ich nicht. Auf den Gummizug will ich heute ausnahmsweise auch nicht eingehen. Na? Und? Genau! Maschinennähte! Der Tod der halbwegs authentisch wirkenden, mittelalterlichen Kleidung.

Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Nähmaschinen, wirklich. Ich besitze mittlerweile drei verschiedene und nähe absolut ALLES damit. Denn ich bin faul… Und zwar so richtig. Außerdem geht es viel schneller. Wenn man also mal wieder in der Nacht vor dem Markt anfängt „noch fix ein Kopftuch zu nähen“, dann wird das vermutlich mit den Handnähten nichts und man ist froh, dass man die Maschine hat.

Aaaaaaaber (jetzt kommt’s): Nähmaschinennähte sehen einfach mal überhaupt nicht schick aus. Echt nicht. Nicht mal so ein bisschen. Und wenn ihr euch fragt: „Ja, aber es läuft doch fast jeder so rum!“ habt ihr mein Problem erkannt. Ja, die wenigsten Lageristen machen sich die Mühe und versuchen, die Nähte zu kaschieren. Vermutlich, weil es die Meisten sowieso nicht stört. Oder keiner drauf achtet. Oder, oder, oder. Aber das ist mir egal, ich persönlich finde es tausendmal schöner, wenn die Maschinennähte kaschiert werden.

Zumal es auch so einfach ist. Zur Not macht man es auf dem Markt, wenn man gerade ein wenig Zeit hat. Da haben die Besucher gleich noch was zum Anschauen. Und glaubt mir, es macht so einen großen Unterschied! Klar, wenn man den Faden passend zum Stoff wählt, sieht man die Maschinennaht vermutlich wirklich nicht. Aber es macht dann trotzdem immer noch mehr her, anstatt gar keiner Naht eine Handnaht zu sehen.

Ich kann euch das Kaschieren der Maschinennähte auf jeden Fall nur wärmstens ans Herz legen. Und selbst, wenn ihr nicht selbst näht, ist es eine super Möglichkeit, eure gekaufte Gewandung dadurch aufzuhübschen.

Also wird es nun endlich Zeit für den zweiten Teil der „Gewandung aufhübschen“-Reihe 🙂

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Kurz vorweg:

Selbstverständlich gibt es dutzend und aberdutzende Möglichkeiten, die Nähte optisch verschwinden zu lassen. Damit der Blogpost nicht allzu sehr den Rahmen sprengt, habe ich mich auf meine 4 Lieblingsvarianten beschränkt. Diese sind simpel, relativ schnell und vor allem auch für Einsteiger geeignet. (Außerdem hattet ihr euch Handnähte gewünscht – gleich gibt’s die ersten 😀 ). Es ist auch relativ egal, ob ihr eure selbst genähte oder gekaufte Kleidung aufhübschen wollt – bei selbst genähter Kleidung bietet es sich allerdings an (sofern kein Zeitdruck), gleich alle sichtbaren Nähte per Hand zu nähen. Das ist aber Geschmackssache. Ich persönlich nähe erstmal alles mit der Maschine und kaschiere die Nähte hinterher. Probiert einfach aus, was euch da am besten gefällt. Falls ihr dahingehend nicht schon Präferenzen hegt…

Achja, und der Post wird wieder seeeehr bildlastig, also erschreckt euch bitte nicht! Lasst uns anfangen.

Variante 1: Borten, Zierflechten, oder dickes Garn

Klar, die simpelste Variante wäre, einfach eine Borte über die Naht zu klatschen und diese per Hand festzunähen. Da ich euch das aber schon im ersten Teil gezeigt habe, möchte ich euch diesmal eine andere Variante des Bortenersatzes zeigen.

 

Hier seht ihr erstmal die Katastrophe vor dem Aufhübschen. Der eigentliche Plan war, die Tunika dunkelblau zu färben. Nachdem alles fertig war, fand ich aber die Naturvariante schöner, sodass eine schlichte Tunika mit hässlichen blauen Nähten zurückblieb.

Ihr benötigt:

  • farbiges Dochtgarn, anderes dickes Garn oder eine Kordel
  • ein dünnes Nähgarn in einer Kontrastfarbe
  • Schere und Sticknadel

Wie in der Variante aus dem Bortenpost, schneidet ihr euch zunächst ein ausreichend langes Stück eures Garns/ der Kordel ab. Der Clou ist, dass wir dieses diesmal nicht einfach nur mit dünnem Garn unnähen, sondern einen Kreuzstich darübersticken und es darin einfassen.

 

Ich persönlich finde es einfacher, wenn ich mir beim Kreuzstich zwei parallele Linien vorstelle. Zur besseren Veranschaulichung habe ich sie hier auch mal aufgemalt.

Ihr fangt unten links an, stecht oben rechts ein und führt die Nadel oben links heraus.

 

Danach stecht ihr die Nadel unten rechts ein und führt sie in der Breite, die das Kreuz haben soll, wieder heraus.

Nun geht’s zu dem Punkt, an dem ihr zuerst eingestochen habt…

Und zurück. Klingt unheimlich kompliziert, aber ich hoffe, dass die Bilder für sich sprechen. (Memo an mich selbst: Stickanleitungen lesen, um selbst welche schreiben zu können…)

Und das stickt ihr jetzt einmal über das Garn, dass ihr über eurer Maschinennaht positioniert habt.

Zum Schluss sollte es dann in etwa so aussehen. Nur wahrscheinlich ein wenig gleichmäßiger als bei mir. 😀 Ich kann ja nicht (schön) sticken… Aber ihr bestimmt!

So sieht’s von der anderen Seite aus…

Und so nochmal komplett. Und auch wenn es unglaublich ungleichmäßig ist, finde ich es schöner, als die Maschinenvariante 😀

So… das war auch schon der schwierige Teil des Blogposts. Die anderen Varianten sind noch einfacher!

Variante 2: Der Rückstich

Der Rückstich ist einer der Stiche, die man auf jeden Fall kennen sollte. Damit bekommt man immer eine feste Naht hin und gerade, wenn ihr keine Maschine nutzen wollt/könnt, ist dies höchstwahrscheinlich auch euer Nähstich.

Da der Rückstich unglaublich stabil ist, könnt ihr direkt auf der Naht sticken. Bei anderen Stichen bin ich immer ein wenig vorsichtig, da das die Maschinennaht beschädigen könnte, aber hier sollte das kein Problem sein. Für meine Hose habe ich ein dickeres Garn gewählt, um eine rustikale und grobe Naht zu bekommen.

Zuerst entscheidet ihr, wie breit euer Stich ungefähr sein soll. In diesem Abstand stecht ihr die Nadel ein…

…und im selben Abstand wieder heraus.

Danach geht es zuRÜCK zum ersten Stich und mit doppelter Stichbreite wieder heraus. Der aus dem Stoff herauskommende Faden liegt also in der Mitte.

Et viola… mehr ist es nicht. Immer wieder zurück zum vorherigen Stich und mit doppeltem Abstand wieder raus.

Auf der Rückseite sieht das Ganze dann so aus.

Und zum Schluss nochmal der Unterschied Maschine- Hand.

Soooo… wem das alles noch viel zu öde aussieht, für den habe ich hier die etwas spannendere Methode:

Variante 3: Der umschlungene Rückstich

 

Der große Vorteil bei dem Stich ist, dass ihr ihn automatisch beherrscht, sobald ihr den Rückstich drauf habt.

Denn:

Ihr macht einmal die Reihe im Rückstich fertig und sucht euch dann ein (evtl. etwas dünneres) Garn in einer Kontrastfarbe.

 

Das Einzige, was ihr jetzt noch tun müsst, (nachdem ihr den Faden einmal durchgezogen habt) ist mit der Nadel von oben unter eure Stiche zu fahren. Geht selbstverständlich auch von unten, ihr solltet allerdings bei einer Richtung bleiben. Wie ihr auf dem Bild seht, nehme ich dazu lieber die stumpfe Seite der Nadel. Dadurch sticht man nicht so leicht in das Garn, sondern führt den Faden tatsächlich darunter durch.

 

Ich gebe zu, es ist ein wenig Fleißarbeit, aber die Mühe lohnt sich!

 

Kommt schon, das könnte schon als „dekorativ“ durchgehen 😀 Und super simpel, oder? Wenn’s denn immer so einfach wäre… Aber hey, die letzte Variante ist auch nicht schwerer, also los!

 

Variante 4: Der Schlingstich

Der Schlingstich ist vermutlich der Stich, den ich am meisten für solche Aktionen nutze. Ich bin der festen Überzeugung, dass es wirklich keinen einfachere Variante gibt, die Maschinennähte zu kaschieren. Wirklich nicht. Also wenn ich das bei meiner allerersten Tunika hinbekommen habe, macht ihr das mit links und 40°C Fieber.

Ihr stecht in der gewünschten Stichbreite ein und führt die Nadel wieder zum Ausgangspunkt.

Dann stecht ihr wieder eine Stichbreite weiter ein und führt die Nadel wieder zurück zum voherigen Stich. Dann geht es wieder eine Stichbreite weiter, zurück, Stichbreite weiter, zurück, und so weiter und so fort… mehr ist es nicht.

 

Achtet bloß darauf, dass der Faden entweder immer oberhalb oder unterhalb der Naht liegt, sonst wird das Muster ungleichmäßig.

 

Und hier natürlich auch nochmal der Vergleich zwischen der Maschinennaht und dem kaschierten Exemplar.

Und dann habt ihr es endlich geschafft. Ihr habt euch durch den „Möhrchen versucht Stickanleitungen zu schreiben“-Post durchgekämpft und seit nun hoffentlich gewillt, eure Gewandung nun ein wenig schicker zu machen (falls nicht schon schick genug, aber ein Hobbyist ist nie fertig, bedenkt dies!). Ich hoffe, die Anleitungen waren trotzdem halbwegs verständlich, ansonsten könnt ihr mich wie immer gern anschreiben.

Nun bin ich aber auf eure Meinungen gespannt: Achtet ihr auch so sehr wie ich darauf, keine sichtbaren Maschinennähte an eurer Gewandung zu haben? Oder sehr ihr das relativ locker? Und näht ihr die Nähte gleich per Hand oder, so wie ich, erst hinterher? Fragen über Fragen… Ich freue mich über eure Berichte!

Bis dahin wünsche ich euch erstmal eine entspannte und nicht mehr so wechselhafte Woche (das Wetter bringt mich nochmal um), habt eine schöne Zeit!

Möhrchen

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9 Gedanken zu „Gewandung verzieren II – Maschinennähte kaschieren

  1. Hallo Mörchen,

    cooler Betrag, mal wieder.
    Ich vergesse das meist, aber ich sollte es echt mal machen. Jetzt hab ich ja auch vier wirklich einfach Anleitungen bekommen die ich mal versuchen kan umzusetzen 🙂

    Mach weiter so, großer Daumen nach oben. 🙂

    LG
    Yves

    • Vielen lieben Dank Yves für den lieben Kommentar 🙂 Da freue ich mich riesig! Hab gerade mal eure Website gestalkt 😀 Ihr scheint ’ne ziemlich coole Truppe zu sein. Stellt doch noch ein paar mehr Bilder rein! 🙂
      Liebe Grüße
      Möhrchen

  2. Kaen-Ryu

    Hallo Möhrchen,

    ein interessanter Post, mal wieder, wir erwarten ja nichts anderes 😉
    Nähmaschinennähte…ohhh die bösen Nähte….
    Ich sitze jetzt seit 45 Minuten an meinem Kommentar…und habe es später wieder gelöscht als ich fertig war und auf Senden drücken wollte. Weil ich eher ins theatralische ausgeschwiffen bin wie grausam doch eher manche Outfits sind, die einen tränenüberströmt nach ihrer Zerstörung anflehen ist der ganze Text dann doch wieder verschwunden.

    Also fasse ich mich eher kurz. Persönlich ist es mir egal, ob man die Nähte sehen kann, oder nicht. Sie gehören dazu, sonst freut es die männlichen und die ein oder andere weibliche Marktbesucher/innen 😉
    Wenn sie so aufgehübscht sind, ist das natürlich auch nicht schlecht, aber mir ist beides recht. Ich schaue mir die Kleidung der anderen Marktbesucher gerne an, neulich habe ich sogar einmal eine Frau angesprochen, weil ich ihr Kleid so klasse fand und sie hat sich sehr gefreut über mein Lob.
    Ich finde Nähmaschinennähte nur dann scheuslich, wenn sie krumm und schief sind….aber kein Meister ist jeh vom Himmel gefallen, meine sind auch nicht immer 1A.

    Dennoch werde ich mir den einen Stich (Kreuzstich) übernehmen für meine Gewandung. Leider werde ich sie nicht mehr bis zum Wochenende schaffen. Dann mache ich sie aber später noch dran..vielleicht…da wir es erst letztes Wochenende beschlossen haben….kann ich sie Dir dann auf MPS Berlin 2019 zeigen, wenn Du auch da sein solltest 🙂
    Ich würde mich freuen, denk dran, ich brülle Möhrchen über den halben Markt 😉 😉 😉

    So! Ab zurück an die Maschine schöne Nähte produzieren 😀

    • Na meine liebe Kaen,
      du musst doch deinen sorgfältig geschriebenen Kommentar nicht löschen 😀 Dafür gibt’s doch die Funktion: Damit man sich auch mal richtig auskotzen kann! 😀 Ok, vielleicht hasse ich Nähmaschinennähte auch nur, weil sie bei mir prinzipiell schrecklich aussehen 😀 Also da hast du mir einen sehr interessanten Denkanstoß gegeben. Vielen Dank dafür!
      Ohhh ich freue mich schon drauf! Dann können wir mal schnacken 🙂 Genieße den Markt am Wochenende und berichte, wie es dir gefallen hat. Ich wünsche dir auf jeden Fall ganz ganz viel Spaß
      Viele liebe Grüße
      Möhrchen

  3. Kaen-Ryu

    Hihi das mache ich, wir freuen uns wirklich schon sehr darauf 🙂
    2 Ganze Koffer und 1 Reisetasche sind gepackt für 3 Personen (Ich habe keinen Plan, ob das alles in meinen Mini-Kofferraum passt)

    Jetzt muss nur noch mein Hängerock fertig werden, alles muss zusammen mit dem Unterkleid passen und dann ist alles schick. Heute ist mein Geburtstag und ich habe von meinem Mann und Freunden zusammengelegt 2 wunderschöne Fibeln bekommen <3
    Dann darf es nur noch keinen Stau geben und das Wochenende kann los gehen huiiiiiii

  4. Digne

    Ich versteh das. Die Abneigung; mein ich.
    Maschinennähte p a s s e n eben nicht ins MA-Ambiente, weil Maschinen gabs damals nicht. Punkt.

    Meine persönliche Aversion geht noch weiter.
    Weil ich meistens nicht anders kann, als Dinge ins ‚Big Picture‘ einzuordnen.

    ‚Die gerade Linie ist des Teufels‘, sagte der Künstler Hundertwasser. Das gilt heute in Zeiten des Optimierungswahns noch mehr als früher.
    Was wird nicht alles ‚gerade gemacht‘, das doch menschlicher wirkt, wenn es ein bißchen krumm ist.
    Das geht beim Vorgarten los, der nicht mehr tierfreundlich verwildern darf, sondern gekiest und mit Nichtblühendem bepflanzt wird.
    Radfahren kann man offensichtlich auch nicht mehr mit normalen Klamotten.
    Es muss schon der farblich passende profsuggerierende Strampler sein.
    Kinder müssen pfeilgerade ins zZ angesagte ‚pädagogische‘ Konzept passen, notfalls werden sie mit Ritalin eben passend gemacht.
    Von der (immer enger) politisch korrekt ausgerichteten öffentlichen Meinung will ich lieber nicht erst anfangen…

    Alles genormt, begradigt, perfektioniert! (Und WOFÜR? Des krieje mer später:)
    Ohne mich.
    Klar hab ich -und mach ich- auch Maschinennähte.
    Dogmatismus ist eben in keiner Richtung eine empfehlenswerte Lebensausrichtung.

    Aber ich w e i ß , warum ich, neben vielem anderen, HANDNÄHTE, wilde Gärten, unkonventionelle Kleidung, abweichende Ansichten und lebendige Kinder anstrebe.
    *zack.

  5. Valerie

    Ich dachte schon, ich bin als einzige nicht perfekte auf der Welt geblieben. Letzte Woche habe ich die Hexe Nirwana entdeckt, jetzt Dein Kommentar. Ich fühle mich so glücklich! Danke, „Schwester“! ❤

  6. Britta Wiebe

    Guten Abend Möhrchen,

    bin Jung-Wikingerin (mit 56 Jahren *grins*) und beim Googeln nach ’ner Gugel auf Deiner Seite gelandet. Genial ! Jetzt hänge ich hier und kann mich nicht entscheiden, ob ich erst mit der warmen Gugel für’s Bogenschießen beginne (in dem Umhang-Fehlkauf bleibe ich immer hängen …) oder meine gekauften Gewandungsstücke mit Deinen tollen Wie-verstecke-ich-böse-Nähmaschinennähte verschönere.

    Was ich aber definitiv weiß ist, dass auch heute Abend Haushalt Haushalt bleibt (lesen will …) und ich hier auf Deiner tollen Seite weiter stöbere und über Deinen Sprachwitz grinse.

    Ich glaub‘, ich opfere den gekauften Umhang (schöner dicker Wollstoff), shreddere ihn und mache meine erste Gugel draus. Natürlich mit der Maschine, damit ich Deine Ziernähte ausprobieren kann. Und weil es schneller geht weil ich irgendwann zwischen Lesen und Nähen auch noch schlafen und arbeiten muss. Typischer Fall von Mittelalter-Virus im Anfangsstadium.

    Bis bald und LG
    Britta (der nordische Name ist echt)

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