Eine Buchrezension
Die letzten Tage hat es bei uns ununterbrochen geregnet. Es ist zu kalt, um in der Werkstatt zu basteln – und noch nicht kalt genug, um meine neue Wintergewandung zu nähen. Färbewolle habe ich auch nicht mehr. Fotos zu machen ist bei dem Wetter auch eher eine ungemütliche Sache, vor allem mit trostlosem Ergebnis. Also habe ich lange überlegt, was ich euch denn Schönes zeigen könnte und dabei ist eine neue Kategorie entstanden.
Tadaaaa: Der Lesestoff
Wie einige von euch bestimmt wissen, wäre ich mal fast Buchhändlerin geworden. Warum meine Liebe zu Büchern nicht mit meinem Lieblingshobby und dem Blog verbinden? Deshalb soll es heute um das Buch gehen, mit dem ich angefangen habe zu nähen. Es war auch die erste Lektüre, die ich mir zum Thema „Nähen“ überhaupt selbst gekauft habe. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass ich dadurch das Schneidern gelernt hätte, aber es hat mir doch an manchen Stellen sehr geholfen. Doch dazu später mehr…
Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen – Gewandungen der Wikinger
Jepp, das ist der ziemlich gewaltig lange Titel dieser Broschüre. Herausgegeben hat es der Zauberfeder Verlag. Geschrieben wurde es von Carola Adler, die auch eine sehr tolle Gewandschneiderei für Larp und Fantasy-Mittelalter betreibt. Diese könnt ihr euch hier ansehen. Die, wie ich finde, sehr schönen Illustrationen hat Kay Elzner gemacht. 76 Seiten umfasst das Werk, ist im A4-Format und kostet im Buchhandel 24,90€. Doch nun wirklich zum Inhalt…
Zu Anfang findet ihr eine kleine Einleitung zum Thema Wikinger, also sowohl zur Geschichte, als auch zur Gewandung. Hier weist die Autorin auch nochmal deutlich darauf hin, dass es in dem Buch nicht um die historisch korrekte Rekonstruktion der Kleidung geht, sondern vielmehr darum, Hilfestellung für völlige Nähanfänger zu geben. Also so wie ich damals.
Für jeden was dabei
Das Repertoire an Schnittmustern und Anleitung ist ziemlich vielfältig. Das Buch ist unterteilt in Männer-, Frauen- und Kinderkleidung, sowie Accessoires. Also von Tuniken über Hosen, Kleider, Mäntel und auch Kopfbedeckungen ist alles mit dabei. Was ich persönlich unglaublich hilfreich fand, waren die Kategorisierungen in Anfänger, Könner und Experte. Das heißt jede Anleitung hat einen „Schwierigkeitsgrad“, sodass man nicht völlig motiviert mit dem schwierigsten Kleidungsstück des ganzen Buches anfängt, nur um daran zu Verzweifeln. Das ist Klasse für Newbies. Ich selbst habe oft das Problem, dass ich mir etwas total kompliziertes aussuche und dann gefrustet bin, weils nicht klappt. Das verhindert diese Kategorisierung schon mal.
Außerdem kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass das ziemlich positiv für das Erfolgserlebnis ist. Erst ein Anfängerkleid nähen, dann zum etwas Schwierigeren und irgendwann sind auch die „Experten-Anleitungen“ pillepalle. Sehr motivierend!
Zu jedem Schnittmuster gibt es eine Maßtabelle für verschiedene Größen, eine Materialempfehlung mit ungefährem Stoffverbrauch und eine Zuschnitt- und Nähanleitung. Das hilft euch auf jeden Fall, die passende Stoffmenge einzukaufen, ohne zuviel Verschnitt zu haben. Falls es Varianten zu dem Kleidungsstück gibt, werden diese auch immer noch mit aufgeführt.
Aber Schnittmuster sind doch kompliziert! … Oder?
Ich bin ganz ehrlich: Schnittmuster zu konstruieren mag ich auch nicht. Nicht einmal ansatzweise. Bevor ich das Buch gekauft hatte, wusste ich nicht einmal, wie das geht. Und das ist der nächste große Pluspunkt: Es wird alles erklärt!
Die letzten zwanzig Seiten befassen sich einzig mit den Grundbegriffen des Nähens. Also zum Beispiel wie ihr am einfachsten die Schnittmuster erstellt. Oder worauf ihr bei der Wahl des Stoffes achten müsst. Außerdem werden einzelne Handnähstiche erklärt, aber auch welche Stiche ihr bei der Nähmaschine wofür nehmen könnt/solltet. Man kann über das Buch wirklich sagen, was man möchte, auch wenn es keine authentischen Schnitte sind. Aber dieser letzte Teil ist Gold wert. Es werden die wichtigsten Begriffe geklärt, danach gibt es eine kleine Exkursion in die Stickerei und das Brettchenweben. Euch werden verschiedene Arten der Verzierung gezeigt und ganz zum Schluss findet man auch noch ein kleines Nählexikon.
Natürlich ersetzt das Buch keinen Schneiderkurs, aber man kommt das erste Mal damit in Berührung und kann sich weitergehend informieren. Ich bin der Meinung, man kann alle Kleidungsstücke in der Broschüre nähen, nur mit den Infos daraus. Ok nicht ganz, es ist nicht so gut erklärt, wie man Ärmel vernünftig ansetzt, aber das war tatsächlich auch das Einzige. Und Techniken wie Nadelbinden, was in dem Buch kurz vorgestellt wird, kann man dann auch im Internet oder mithilfe anderer Literatur recherchieren.
Auf der letzten Seite ist dann auch weiterführende Literatur aufgeführt. Unter anderem findet man hier auch die Standardwerke für’s Wiki-Reenactment „Ausgrabungen in Haithabu“ Bericht 20 und 29 von Inga Hägg und „Birka. Band 3“ von Agnes Geijer. Leider gibt es in dieses Bücherliste so gut wie keine ISB-Nummer, da weint die Buchhändlerin in mir. 🙁
Mein Fazit:
Das finde ich toll:
- einfach und logisch erklärte Anleitungen
- tolle Illustrationen
- ungefährer Stoffverbrauch und Materialempfehlung angegeben
- umfangreiche Informationen zum Nähen allgemein
- Kleiner Einblick ins Sticken, Brettchenweben und Nadelbinden
- Schnittmuster sowohl für Männer, als auch für Frauen, ebenso wie Kopfbedeckungen
Das gefällt mir nicht so gut:
- sehr an die neuzeitliche Mode angepasst, eher für die Fantasydarstellung geeignet
- Anleitung zum Ansetzen der Ärmel ziemlich verwirrend
- Die Accessoires kommen leider ein wenig zu kurz
Alles in Allem ein wunderbares Buch für Anfänger, die keinen Wert auf historische Korrektheit ihrer Kleidung legen. Ebenfalls gut geeignet für Larper. Ich bin tatsächlich geneigt, mir die anderen Werke der Reihe ebenfalls zuzulegen :D.
Infos für den Buchhändler eures Vertrauens
Titel: Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen – Gewandungen der Wikinger
Autor: Carola Adler
ISBN: 978-3-938922446
Verlag: Zauberfeder Verlag
Preis: 24,90€
Wie sieht es bei euch aus? Was haltet ihr von dem Buch? Mögt ihr es auch so sehr wie ich, oder arbeitet ihr lieber mit authentischen Schnittmustern? Wann und wie habt ihr angefangen, eure Kleidung selbst zu nähen? Ich freue mich, über eure Meinungen!
Habt einen schönen, sonnigen (nicht so wie bei mir) Tag!
Möhrchen
6 Gedanken zu „Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen – Gewandungen der Wikinger“