Ein Abschiedsbrief an Ser Pounce-a-lot

Freitag Abend: Ich bin im Kino gewesen, hab‘ das Remake von Stephen Kings „Es“ gesehen. Eigentlich ein ziemlich guter Film. Ich fuhr mit der Erleichterung nach Hause, meine Clownphobie überwunden zu haben. Kein unbehagliches Gefühl während der Autofahrt, kein nachklingender Grusel, nicht einmal ein kalter Rückenschauer auf dem Weg zwischen meinem Auto und dem sicheren Heim. Ich war froh, mein Geld nicht für einen schlechten Film rausgeworfen zu haben und ging relativ entspannt ins Bett. Dass der eigentliche Horror erst am nächsten Morgen kam, konnte ich in diesem Moment nicht ahnen.

Samstag: Als ich morgens aufstand, lief mir beim Gang in die Küche bereits mein Vater über den Weg. Er hatte diesen „Kind, ich muss dir etwas sagen und das wird nicht schön“-Blick aufgesetzt, den nur besorgte Väter haben können. Diese Mischung aus Hilflosigkeit, Unsicherheit und schlechtem Gewissen, weil sie wissen, dass ihr Kind gleich bitterlich anfängt zu weinen.

„Pouncy ist gestern Nacht gestorben.“

Ich wusste, dass irgendwas nicht in Ordnung war, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Wer mich kennt, weiß, dass Ser Pounce-a-lot (meist wurde er nur Pouncy gerufen) wie ein Familienmitglied für mich war. Es war die erste Katze, die ich mir selbst ausgesucht hatte. Es war meine Katze. Als ich ihn geholt hatte, war er 8 Wochen alt. Er ist bei uns groß geworden, hat jeden Morgen mit mir gekuschelt, mich mauzend darauf hingewiesen, wenn ich ihm nicht sofort Platz auf meinem Schoß gemacht habe und gehörte einfach zu mir.

Und jetzt ist er nicht mehr da. Einfach weg – von heute auf morgen.

Das Ganze ist nun fast eine Woche her und ich muss sagen: Es tut doch noch weh. Das Problem ist, dass viele Leute es als albern oder kindisch ansehen, wenn man länger als 2 Tage um ein geliebtes Haustier trauert. „Das ist eine Katze, kein Mensch. Krieg‘ dich ein!“, hört man dann oft. Aber warum eigentlich? Warum darf mir meine Katze nicht genauso fehlen, wie es ein Mensch tun würde? Weil sie nicht sprechen kann? Weil ich mir eine neue Katze holen könnte?

Ich denke, jeder ,der einen vierbeinigen Freund verloren hat, weiß, dass es nicht so einfach ist, sich „einzukriegen“. Dass etwas fehlt, das im Alltag immer da war. Dass man es nicht einfach ersetzen kann wie einen kaputten Toaster. Und dass man vor allem nicht einfach sagen kann:“Ich höre jetzt auf, ihn/sie zu vermissen“.

Ein Abschiedsbrief erleichtert Vieles

Wie dem auch sei. Irgendein schlauer Mensch hat mir mal gesagt, dass Abschiedsbriefe bei jeder Form des Loslassens helfen sollen. Also warum nicht versuchen? Im schlimmsten Fall halten mich alle für verrückt, im besten geht es mir danach besser und der ein oder andere versucht es auch. Vielleicht  kennt ihr ja auch das Gefühl und versteht mich. Das wird jetzt bestimmt nicht einfach, aber hier kommt der ziemlich persönliche Abschiedsbrief an Pouncy.

Hey kleiner Kumpel,

weißt du noch, wie ich dich damals abgeholt habe? Du wirktest so klein in dieser riesigen Box, deine Besitzerin meinte noch, du würdest vermutlich noch ein, zwei Nächte schreien. Hast du aber nicht. Du standest auf dem Beifahrersitz, hast mich skeptisch angeschaut und nur ein kleines „Miau“ von dir gegeben – Danach warst du ruhig. Als wir zuhause waren, hast du erstmal die großen Katzen begutachtet, aber die mochtest du nicht wirklich. Also hast du erstmal ziemlich lange auf meinem Bauch geschlafen (was sehr unbequem war) und wehe, ich wollte dich neben mich legen! Dann hast du gleich lautstark protestiert und bist wieder zu mir gekrabbelt.

Die großen Hunde haben dir auch keine Angst gemacht, es dauerte nicht lang und du hast ihre Sessel für dich erobert.

Dann haben wir irgendwann rausgefunden, dass du taub bist. Alle anderen waren bestürzt. „Was macht man denn mit einer tauben Katze?“, „Ist er wirklich taub? Das ist aber schade!“, haben wir oft gehört. Na und? Uns war das egal. Ich hab‘ mit dir tauben Nuss mehr geredet als mit so manch Anderem. Außerdem hatte das den großen Vorteil, dass du nicht verängstigt vor dem Staubsauger weggerannt bist…

Am Anfang warst du immer das Pouncelittle, weil du für einen Pounce-a-lot einfach viel zu klein warst. Durch deine Taubheit war es dir eh egal.

Du fehlst mir, kleiner weißer Schnuffel. Jetzt muss ich alleine basteln. Sonst warst du immer dabei. Wolltest in den Farbtopf springen, bis du gemerkt hast, dass das eine ziemlich dumme Idee ist. Du warst mein Lieblings-Schnittmusterzerstörer, Wolle-Durcheinanderwirbler und Fadenabbeißer.

Ich wollte den Blog mit so vielen coolen Bastel- und Bauabenteuern von uns füllen (denn du warst ja immer dabei). Die muss ich jetzt alleine bestreiten. Jetzt habe ich keinen kleinen Assistenten mehr.

Ich schaue morgens immernoch, wann du um die Ecke springst, um kuscheln zu kommen. Obwohl du das nicht mit jedem gemacht hast. Du wusstest ganz genau, wer deine Familie ist, die anderen wurden erstmal skeptisch begutachtet. Und wehe, ein „Fremder“ wollte dich streicheln – dann warst du schneller weg als die schnellste Maus von Mexiko.

Als ich meinen Freunden erzählt habe, dass du in den Katzenhimmel gesprungen bist, waren alle traurig. Selbst Paps, der alte Gefühlskrüppel, musste sich ein Tränchen verkneifen. Du bist ihm ans Herz gewachsen und jeder wusste, dass du zu uns gehörst.

Du liegst jetzt unter deinem Lieblings-Kletterbaum. Ich habe weiße Heide und japanisches Blutgras gepflanzt. Als nächstes kommt da ein Färbergarten hin. Den hättest du bestimmt gemocht, weil man dann da schön buddeln kann.

Ich hoffe, du hast viele Schmetterlinge, da wo du jetzt bist. Denen bist du hinterhergejagt, seitdem du bei uns warst. Und vielleicht solltest du die Vögel, die du fängst, mal fressen. Sonst liegen die wieder so hässlich auf dem Boden rum und ich bin nicht da, um sie wegzumachen.

Mach’s gut, mein kleiner Pounce-a-lot, ich bin froh, dass wir die Zeit zusammen hatten. Auch wenn sie viel zu kurz war.

Dein, immernoch trauriger aber nach dem Brief erleichterter, Dosenöffner, Bällchenschmeißer, Warmkuschler

Möhrchen

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3 Gedanken zu „Ein Abschiedsbrief an Ser Pounce-a-lot

  1. Digne

    Denkst du an eine neue Katze?
    Nicht zu Ersetzen, das geht ja gar nicht. Aber oft ist dann da einfach ein Platz FREI, in der Seele.
    Und der ruft nach Füllung.
    Ich weiß das, denn ich hatte ein paar Fehlgeburten.

    • Ich habe tatsächlich schon einen neuen kleinen Kater. War am Anfang natürlich etwas seltsam, zumal er auch weiß und taub ist, aber mittlerweile sind wir ganz große Freunde. Klar, jede Katze hat seinen eigenen Charakter, auf den man sich einlassen muss. Und mir geht’s wesentlich besser mit einem kleinen Kuschel-Kumpel 🙂
      Das mit den Fehlgeburten tut mir Leid 🙁 Das ist ja nochmal eine ganz andere seelische Belastung.

      • Digne

        Das ist Leben. Da gehört Tod dazu, obs uns gefällt oder nicht.
        (Wie sagt Byron Katie? Wenn wir uns mit der Wirklichkeit anlegen, dann verlieren wir nur zu 100%)

        Ich glaub nicht mal, dass es sich so anders anfühlt als der Verlust eines langjährigen tierischen Kumpels, wenn der einem nahestand.
        Ein Baby ist ja leicht virtuel, wenn es noch im Bauch ist (besonders, wenn man nicht übt nach innen zu fühlen, weil ständig äußere Ablenkung -Ultraschall undso-) Aber das istn anderes Thema 🙂

        Wie schön, dass du wieder ‚zuzweit‘ bist!

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