Das Mittelalter im Internet
Soziale Netzwerke sind großartig. Und das meine ich wirklich! Gerade für mich, die in der tiefsten ostdeutschen Provinz wohnt, sind Facebook und Co. manchmal die einzige Möglichkeit, an der kleinen Mittelalterwelt dort draußen teilhaben zu können. Und irgendwie ist das Ganze auch nicht mehr aus meinem Alltag wegzudenken. Morgens kurz in die Facebookgruppe geschaut, mittags was im Online-Forum gepostet und abends noch Pinterest durchwühlt. Ja liebe Leute, so spannend ist mein Tag 😀
Dennoch habe ich gemerkt, dass online nicht alles so einfach zu kommunizieren ist, wie vielleicht auf dem Markt. Oder in der Kneipe mit Freunden. Oder überhaupt mit Leuten, die ich WIRKLICH kenne. So im „Real life“ und so… Kurz gesagt: wenn ich mir ältere Online-Posts von mir in Social Media anschaue, könnte ich mir manchmal durchgehend mit der flachen Hand gegen die Stirn schlagen. Möhrchen, was hast du da veröffentlicht? Kein Wunder, dass das ’nen Shitstorm ausgelöst hat. Und warum war niemand da, der dich gewarnt hat? Fragen über Fragen, die ich mich in solch Momenten der Scham stelle. Denn was man manchmal so locker-flockig im Online-Forum oder in der Facebookgruppe postet, erweißt sich hinterher als Anlass für Beleidungen und Ärger, ziemlich viel Stress und vor allem blödes Gerede.
„Hey, ich hab‘ Vikings gesehen und möchte ein Lagertha-Kostüm haben, jemand Tipps?“ ist eher kontraproduktiv in diversen Gruppierungen und „Ist die Baumwolltunika von XY zu empfehlen?“ ist auch nicht gern gesehen. Glaubt mir. Alles schon gesehen, alles so erlebt.
Im Laufe der Zeit habe ich mir also ein paar „Tricks“ (ich weiß nicht, ob man sie so nennen kann) angeeignet, die den Stress im Internet so gut wie vermeiden. Und wenn ich schon niemanden hatte, der mit mir darüber geredet hat, möchte ich euch zumindest vor dem ein oder anderen Streit online schützen.
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Warum das Posten in Mittelalter-Gruppen manchmal schwierig ist
Zunächst aber erstmal zu der allgemeinen Grundsituation: Es wimmelt im Internet nur so von Larp- und Mittelalter-Austausch-und-Frage-Threads. Allein bei Facebook bin ich in ungefähr 30 Gruppen, nur zu dem Thema. Dass da wieder das altbekannte „Gromi gegen Reen“ Problem auftritt, ist nur verständlich. Und da das große, weite Internet den Vorteil hat, dass man seine Meinung fast anonym rausposaunen kann, gibt es oft Zoff. Sei es, dass man einen Troll (Anmerkung: Jemand, der ständig provozieren möchte) in der Gruppe hat, oder einfach, weil falsch kommuniziert wurde. Und das bringt beiden Seiten nichts. Weder dem Ersteller, noch demjenigen, der (vernünftig) darauf antworten möchte.
Für alle, die sich darunter nichts vorstellen können, folgendes Beispiel:
Eine junge Dame postet ein Bild von sich in Un-A-Wikingerkleidung in einer Facebookgruppe. Text zu dem Bild lautet: „Hier mal meine Gewandung, Verbesserungen?“ Und die Kommentare hören nicht auf. Von „damit traust du dich auf den Markt“ über „nee, wenn authentisch, dann muss das Kleid anders und die Schalenfibeln passen nicht und sowieso hat das nix mit einer Darstellung zu tun“.
Dann kommt die Gegenfraktion mit „Ja, aber wenn sie das toll findet, lass sie“ oder „ihr könnt doch eh nur meckern, sieht doch toll aus“.
Jippieh, jetzt sind wir bei der Grundsatzdiskussion „authentisch oder nicht?“ angekommen. Ende vom Lied ist, dass sich alle angegiftet haben und die Threaderstellerin traurig und kein Stück schlauer ist. Schade, Schade – da hat das sonst so tolle Internet versagt. Doch was anders machen?
Allgemeine Tipps
- Foren- bzw. Gruppenregeln lesen. Das sollte das Erste sein, was ihr nach Beitritt macht. So bekommt man einen ungefähren Überblick, was erwünscht ist und was nicht. Manche Gruppen sind eher auf historische Darstellungen ausgelegt, andere widerum sind für alle Gruppierungen der Mittelalterszene. Auch spezifische „Verhaltensweisen“ sind dort hinterlegt. Beispielsweise darf man in einigen Foren nicht eigenmächtig Diskussionen löschen.
- Erstmal beobachten. Wie ist der allgemeine Tenor? Wonach fragen die Anderen? Und vor allem: Wie wird darauf reagiert? So bekommt ihr ein Gespür für die Leute und könnt abschätzen, ob das zu euch passt.
- Wenn es nicht passt: Die Gruppe verlassen oder aus dem Forum austreten. Wie gesagt, es gibt unzählige Möglichkeiten, sich im Internet über Larp und Mittelalter auszutauschen – Ihr findet auch was anderes.
So, jetzt seid ihr beigetreten, habt reingeschnuppert und euch mit den Gegebenheiten vertraut gemacht. Zeit, eure seit 3 Jahren unbeantwortete Frage zu stellen oder euer neues Outfit zu präsentieren… Doch halt!
Tipps für Post-Ersteller
- Beschreibt eure Darstellung! „Seht, meine neue Tunika“ reicht leider nicht aus und führt oft zu Stunk. Besser: „Wollte euch mal meine neue Tunika zeigen. Pflanzengefärbtes Leinen, alles handgenäht. Darstellung ist eher im Fantasy-Bereich, also keinen Anspruch auf historische Korrektheit“. Die Leute, die ihre Meinung äußern möchten, wissen so zumindest, was du überhaupt darstellen möchtest und Kommentare wie „das ist aber nicht A“ erledigen sich von selbst.
- Überlegt euch, was ihr mit dem Post bezwecken wollt. Möchtet ihr (konstruktive) Kritik? Oder soll es nur ein Ego-Boost sein, weil alle ein Like spendieren oder euch schreiben, wie toll euer Zeug ist? Letzteres ist nichts Schlimmes, jeder braucht mal ein wenig Anerkennung. Aber das solltet ihr klar kommunizieren. Es muss ja nicht unbedingt das arrogante „voll geile Klamotte, ne?“ sein. Infos zum Aufbau, den Materialien oder ähnlichem ist auch schon interessant.
- Falls Kritik erwünscht ist, beschreibt kurz, was genau ihr kritisiert haben möchtet. Allgemeine Anmerkungen? Oder gefällt euch nur der Gürtel nicht und wollt wissen, wie ihr den austauschen könnt?
- Achtet auf eure Rechtschreibung und die Grammatik. Klingt simpel, aber ihr glaubt gar nicht, wie oft sich darüber lustig gemacht wird. Ja und die Ausrede der Lese-Rechtschreib-Schwäche wird oft gekonnt ignoriert. Es muss kein 1+ Deutschaufsatz sein, aber Groß- und Kleinschreibung wäre schon gut.
- DON’T FEED THE TROLL. Soll heißen: wenn ihr merkt, dass jemand absichtlich Stunk macht – ignoriert ihn/sie. Weitere Kommentare stacheln denjenigen nur an. Und das muss man sich wirklich nicht geben.
- Falls doch ein unschöner Kommentar dabei sein sollte, nehmt ihn euch nicht zu sehr zu Herzen. Es ist nie cool, beleidigt zu werden aber hey – im seltensten Fall kennt ihr die Leute persönlich. Also – Who cares? Ich weiß, dass da manchmal ziemlich verletzende Sachen dabei sein können. Durchatmen – Kopf hoch – drüberstehen! Mach’s wie Ser Percy!
(Völlig zusammenhanglosen Cat-Content in Blogpost eingebaut – erledigt 😀 )
Tipps für Kommentatoren
- Goldene Regel des Kommentierens: Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, dann lass es. Keine Angst, ihr müsst nicht rumschleimen wie die Weltmeister, aber sucht euch wenigstens einen Punkt, der euch gut gefällt und setzt den an den Anfang. Wirkt netter.
- Benutzt Smileys! Das Blöde am Internet ist, dass jeder den Kommentar anders liest. So Sachen wie: „Die Bluse würde ich austauschen.“ kann für den einen oder anderen schon zickig rüberkommen. Wobei „Die Bluse würde ich austauschen 🙂 “ schon wieder viel freundlicher aussieht (und zickige Gegenkommentare vermeidet).
- Erst Denken – dann Schreiben. Möchte ich dem Fragenden wirklich helfen? Oder geht es mir eher darum, meine Meinung darzulegen? Möchte derjenige das wirklich wissen?
- Sollte eigentlich klar sein: Kein Kommentar zu Figur, Haarschnitt, etc. Das dürfen nur „echte“ Freunde! Und das seid ihr in dem Moment nicht. Außerdem hat Bodyshaming nix im Mittelalterhobby zu suchen! Punkt.
- Apropos No Go: Rassismus und anderweitige Diskriminierung selbstverständlich auch nicht.
- Nicht die selbe Meinung zum tausendsten Mal anbringen. Baaaaah, wie ich das hasse. Drei Leute haben schon geschrieben, dass der Mantel nicht A ist und dann kommen noch 5 weitere, die das selbe schreiben… Hört auf damit, das grenzt an Spam!!!
- Wenn ihr merkt, dass andere Leute beleidigend werden: ruhig mal Partei ergreifen und sagen, dass das so nicht geht. Das freut sich der Postersteller.
- Und falls euch wirklich mal etwas aufregen sollte: Erstmal nen Beruhigungstee machen und überlegen, ob es sich WIRKLICH lohnt, darauf zu antworten! Es gibt Sachen, die nur Nerven kosten und euch wirklich nichts bringen. Glaubt mir. Keep calm!
Meine Top 5 der Shitstorm-Themen
Zu guter Letzt nochmal eine kleine Auflistung an Dingen, die besonders in Mittelalter-Facebookgruppen nicht gern gesehen sind.
1. „Vikings“
Ich weiß nicht, warum es einige Leute so aufregt, aber wahrscheinlich liegt es an dem Pseudo-Historismus liegt, den History Channel sich auf die Fahne geschrieben hat. Egal was du zu „Vikings“ wissen möchtest – irgendwer wird sich aufregen, dass das nicht authentisch ist.
2. Schildmaiden/Kriegerinnen
Selbes Problem wie oben, ist halt nicht 100%ig belegt und deshalb wird da immer rumgemotzt.
3. Baumwolle
Erzählt bitte nicht, dass ihr auf dem Bild Baumwollkleidung tragt. So viel Tee könnt ihr gar nicht trinken, um euch von den drohenden Kommentaren zu erholen.
4. Holz flammen
Ja, auch geflammte Holztruhen und Brandings sind nicht gern gesehen. Beliebtester Kommentar hierfür „Na, zu nah am Feuer gestanden?“. Also bitte, wenn ihr mit dem Bunsenbrenner über’s Holz geht – nicht unbedingt im Forum zeigen.
5. Trinkhörner, Schottenröcke, Springerstiefel
Oder ähnlicher Kram, der nur „Anfängern“ zugeschrieben wird. Also alles, wofür man sich später mal schämt. Oder so ähnlich…
Zum Schluss gibt es noch meine Lieblingsfloskel: Habt euch lieb! Denn das ist wichtig, damit ALLE Spaß an diesem Hobby haben. Die eigene Meinung ab und an ein wenig zurückschrauben, nicht unbedingt alles veröffentlichen und vor allem: Nett zueinander sein. Denn man darf nicht vergessen, dass sich auch ganz viele Neueinsteiger in den Foren und Gruppen tummeln. Wollen wir die verschrecken, damit das Hobby nach und nach ausstirbt? Ich denke nicht. Jeder fängt mal klein an und jeder macht Fehler. Habt da also auch ein wenig Verständnis. 🙂
Sooo… laut meiner Liste bin ich mit allen Punkten durch. Habt ihr noch was anzumerken? Was sind denn eure schlimmsten Social-Media-Diskussionen gewesen? Nutzt ihr überhaupt Online-Foren? Und wofür nutzt ihr sie, als Inspiration oder doch eher als Hilfestellung? Fragen über Fragen, ich bin auf eure Antworten gespannt 🙂
Ich hoffe, der Post hat euch ein wenig weitergeholfen. Mal schauen, vielleicht finde ich ja noch den einen oder anderen dummen Post von mir, dann packe ich ihn noch mit in den Text. Zur allgemeinen Belustigung 😀
Ansonsten wünsche ich euch weiterhin viel Spaß in den unendlichen Weiten des World Wide Webs. Habt Spaß, tauscht euch aus, aber geht nicht verloren 🙂
Möhrchen