Alles wird mal langweilig
Mit einem Hobby ist es irgendwie wie mit einer neuen Liebe: Am Anfang findet man alles am Gegenüber großartig. Man interessiert sich für einander, alle gemeinsamen Aktivitäten sind unglaublich aufregend und die kleinen Macken irgendwie süß. Das Ganz geht dann im besten Fall zwei, drei Jahre so. Und dann kommt der böse, böse Alltag.
„Schatz? Wie war dein Tag?“
„Ganz gut, und deiner?“
„Auch.“
„Schön.“
Das war’s also mit dem überschwänglichen Interesse an dem Wohl des Anderen. Jetzt ist Beziehungsarbeit angesagt, sonst endet der ganze Spaß in Trennung oder – noch schlimmer- lebenslangem Desinteresse…
Gut, ich wollte ja hier keinen Beziehungsratgeber schreiben, also was hat das mit dem Mittelalterhobby zu tun? Ganz einfach: Am Anfang saugt man den Mittelaltermarkt förmlich in sich auf. Man schaut sich Gewandungen an, geht zu marktinternen Veranstaltungen, redet mit Leuten über das Hobby. Und wenn es richtig gut läuft, kommt man mit einer Menge input nach Hause. Wenn ich so an meine Kindheit denke: Da war es DAS Highlight, wenn Paps und Ma mit mir auf einen Markt gefahren sind… Tagelange Vorfreude und ein neues Holzschwert inbegriffen. Das war so cool!
Hobby- Wir müssen reden!
In der letzten Saison ist mir dann aufgefallen, dass sich das Ganze ein wenig gewandelt hat. Klar, ich freue mich immer noch, wenn ich meine Sachen packen und für ein Wochenende verschwinden kann. Freunde treffen, Spaß haben – aber das Lagern an sich rückt ein wenig in den Hintergrund. Und oft artet alles noch in Stress aus, weil dies und jenes nicht fertig geworden ist. Oder ich das ganze Wochenende drüber nachdenke, was ich noch nicht habe und bauen muss… Oder, oder, oder…
Versteht ihr mein Dilemma? Gut. Aber rumheulen allein hat ja noch niemandem etwas gebracht. Ich habe mich also hingesetzt und alles aufgeschrieben, was ich diese Saison unbedingt auf Mittelaltermärkten machen muss. Als Beziehungsarbeit, sozusagen. Back to the roots, das kleine Kind rauslassen und mir so mein „Marktfeeling“ zurückzuerobern.
Das war jetzt ganz schön viel Text, oder? 😀 Also lasst uns mit meiner To-Do-Liste starten!
1. Sich mit Leuten unterhalten
Seltsam, je älter ich bin, umso unkommunikativer werde ich scheinbar auch. Früher (so mit 14,15, 16) war es irgendwie kein Problem, mit Leuten auf dem Markt ins Gespräch zu kommen. Sei es am Metstand, mit Handwerkern oder einfach mit anderen Lageristen. Mit denen sollte es ja auch am einfachsten sein. „Hey, ich bin Möhrchen, euer Lager sieht toll aus. Darf ich mich kurz zu euch setzen?“ Sollte eigentlich kein Problem sein, aber dennoch traue ich mich oft nicht, oder ziehe es gar nicht in Erwägung. Auf der anderen Seite würde ich jeden, der so ankommt, sofort ans Lagerfeuer holen. Ist ja nichts dabei.
Denn gerade die Gespräche sind erfahrungsgemäß unglaublich interessant. Man muss eben nur über seinen Schatten springen, das Lager auch mal verlassen und aktiv auf die Menschen zugehen. Ja, für mich klingt das auch gruselig, aber ich habe mir fest vorgenommen, das zu üben! Tschakka!!!
2. Sich Handarbeiten und Handwerke anschauen
Ist schon ein bisschen dämlich: Das ganze Jahr tausche ich mich online mit Menschen über verschiedene mittelalterliche Handwerkstechniken aus. Und auf dem Markt? Pustekuchen. Ich glaube, 2007 habe ich das letzte Mal Schmiede bei der Arbeit zugeschaut. Total bekloppt. Dabei kann man „live“ doch viel mehr darüber erfahren. Und zur Not noch nachfragen (wo wir wieder bei Punkt 1 wären).
Mein größtes Problem beim Beobachten ist: Solange ich das unauffällig machen kann, ist es mir nicht peinlich. Das mache ich tatsächlich recht oft. Aber danebenstehen und starren, weckt in mir ein ziemlich unbehagliches Gefühl. Aber auch hier muss man wieder sagen: Deswegen machen die Leute das. Damit man zuschaut. Und Fragen stellt. Ich fühle mich auch nicht wie ein Zootier, nur weil sich jemand neben die Lagerabsperrung stellt und mir beim Basteln zusieht. Ich freue mich sogar regelrecht darüber, wenn sich jemand für mein Handwerk interessiert. Warum soll es den anderen nicht auch so gehen?
3. Sich kleine, unbekannte Bands anhören
Eigentlich gibt es auf jedem Histotaiment-Markt mehr oder weniger mittelalterliche Musik. Auf großen Veranstaltungen, wie dem MPS zum Beispiel, findet man dann auch die Größen der Szene. Und laut meinen Erfahrungswerten geht man dann auch immer zu den selben Bands. Das ist schade! Nicht falsch verstehen, ihr sollt schon zu euren Lieblingsmusikern gehen, dafür seid ihr da. Aber sollte man nicht auch den Unbekannteren eine Chance geben?
Kleines Beispiel meinerseits: Möhrchen, das kleine Versengold-Fangirl, hat auf jedem MPS versucht, mindestens zwei ihrer Konzerte mitzunehmen. Wie ein kleiner Flummi. Jetzt mag Möhrchen aber seit letztem Herbst VG nicht mehr so wirklich (und das nach 10 Jahren *schnüff*). Und steht da. Ohne Lieblingsband. Und weiß nicht, wohin.
Wäre ich die letzten Jahre mal zu kleinen Bands gegangen, hätte ich vielleicht auch mehr musikalischen Input für solche Situationen gehabt. Pech gehabt, Möhrchen.
Und nur, weil Musiker unbekannt sind, heißt es nicht, dass sie schlecht sind. Es muss ja nicht die „Dudelsack-ich-kann-nur-a-moll“-Band sein. (Ich hasse Dudelsackmusik, erwähnte ich das?). Es gibt auch genug kleine Folk-Gruppen, die eine tolle Atmosphäre auf ihren Konzerten haben. Ich kann hier immer wieder das Duo Thalamus erwähnen. Großartig! Die habe ich auch nur durch Zufall in Wittenberg gesehen, weil ich auf Freunde gewartet habe… In diesem Sinne: Raus aus den alten Gewohnheiten!
4. Mal was anderes Essen
Gut, ich muss zugeben, dass mir das auch in Zukunft schwer fallen wird. Unser Lager hat nunmal einfach das beste Essen weit und breit 😀 (Siehe Bild). Aber selbst wenn ich mal losgehen und mir was zum Naschen kaufe, ist es immer dasselbe. Baumstrietzel oder Eis. Wow, wie mittelalterlich. Asche über mein Haupt. Ich weiß, dass die Fressalien teilweise unglaublich überteuert sind. Aber wenn man es so sieht, ist das Wochenende auf dem Mittelaltermarkt ein wenig wie Urlaub. Und im Urlaub gönnt man sich schließlich auch was.
Es gibt sooo viele tolle Sachen auf den Märkten. Aber nee, Möhrchen denkt sich dann lieber „Urrrgh, vielleicht schmeckt das ja nicht, dann hab‘ ich die 5€ zum Fenster rausgeschmissen“. An der Autobahn gibt’s dann aber ein Tomate-Mozarella-Brötchen für 3,50€ und einen schlechten Automatenkaffee. (Ich hasse meine eigene Doppelmoral in Sachen Essen 😀 ) Merkt ihr’s? Und wie cool wäre es denn, nach Hause zu kommen und freudig erzählen zu können, dass man die besten kandierten Früchte auf der ganzen Welt gegessen hat? Wenn man’s nicht ausprobiert, wird man’s nie wissen.
Für mehr Mut zum Auswärts-Essen!
5. Die Atmosphäre genießen
Das Wichtigste kommt zum Schluss. Ja, ich bekenne mich schuldig, ich bin ein Klugscheißer. (Aus keinem anderen Grund habe ich diesen Blog erstellt! 😀 )Und das kommt auf Märkten ziemlich raus. Da nervt es mich, dass ich die selbe Ledercorsage 20x sehe, die Kleidung sichtbar aus Polyester ist und Plastikflaschen auf dem Tisch stehen. In meiner aktiven Reen-Zeit war das richtig schlimm. Das ist dank Fantasy-Darstellung schon besser geworden. Aber mal ganz ehrlich: Muss man sich da so aufregen? Nein! Stattdessen sollte man sich auf die schönen Eindrücke des Marktes konzentrieren. Diesen ganz speziellen Geruch, die Leute, die Spaß haben, die Musik…
Ich bin letztes Jahr in Luhmühlen durch Zufall alleine Getränke holen gegangen. Es war schon dunkel, überall Fackeln und der Markt wurde langsam ruhiger. Dann habe ich das Ganze bewusst auf mich wirken lassen und dachte so: „Mensch, das ist genau das, was du an Mittelaltermärkten liebst! Was für eine tolle Atmosphäre. Genau DESHALB tust du dir die 3h Fahrt überhaupt an.“ Das war toll. Aber wenn man es sich nicht bewusst macht, geht dieses Gefühl irgendwann verloren. Wie der Partner, dem man im Alltag zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat…
Die letzten Worte vor Saisonstart
Lasst uns also diesen Sommer zu einem ganz Besonderen machen. Back to the roots, mit viel Energie, Neugierde und Interesse, neuen und alten Freunden und vor allem: Mit ganz viel Spaß an der Sache! Ich freue mich riesig!
Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr „gute Vorsätze“? Und was habt ihr schon ewig nicht mehr auf dem Markt gemacht? Ich bin gespannt, welche Erfahrungen ihr so gemacht habt. 🙂
Ich wünsche euch auf jeden Fall eine tolle Frühlingswoche und, falls ihr auch startet, einen problemlosen Auf- und Abbau 🙂
Möhrchen
22 Gedanken zu „5 Dinge, die man öfter auf Mittelaltermärkten tun sollte“